Agro-Kolloide: kleinste Teilchen, größte Flächen

Größenverhältnisse, Dimensionen

1 Millimeter (mm) = 1000 Mikrometer (μm)
  = 1 Million Nanometer (nm)

Kolloide sind eine Mischung von zwei oder mehreren extrem feinverteilten Stoffen ineinander, z. B. eines Feststoffs in einer Flüssigkeit (z.B. Wasser). Entscheidend ist dabei die Teilchengrösse: je kleiner, desto besser. Die (ungefähre) untere Grenze liegt im Bereich von einem Nanometer, wo der Bereich der echten Lösungen beginnt.

In der Bodenkunde werden Verteilungen mit Teilchengrößen kleiner 2μm als Kolloid bezeichnet: es ist der Bereich der sog. Ton-Fraktionen. Auch hier gilt: je kleiner die Teilchen, umso interessanter das chemische Verhalten.

Die meisten Bodenanalysen weisen aber leider für diesen interessanten Größenbereich der Tone und Kolloide keine Details aus, obwohl sich gerade hier Entscheidendes für die Bodenfunktionen tut.

Einige Größenvergleiche

Bakterium: typische Länge <1 μm bis > 20 μm
Hefezellen: typische Länge 6 -12 μm
Pilz-hyphen: Durchmesser 1 - 10 μm
Feinstwurzeln höherer Pflanzen: Durchmesser < 1000 μm (1mm)
Feinwurzeln Durchmesser 1 - 2 mm
Typische Korngröße von ultrafein gemahlenen Gesteinsmehlen   ca. 5 μm

Bestandteile von Bodenkolloiden

Tonteilchen < 0,1 μm bis 2 μm
Huminsäuremoleküle, hydratisiert ca. 0,01 μm (= 10 nm)
Kieselsäuren (poly-), hydratisiert, amorph 3 nm bis >> 100 nm
Tonerde (Aluminiumoxidhydrat), amorph > 3 nm
Allophan: Kieselsäure-Tonerde-Misch-Kolloid 2 -3 nm

Kolloidteilchen sind typischerweise deutlich kleiner als die Mikroorganismen und Feinwurzeln höherer Pflanzen.

Mikroorganismen fühlen sich wohl, wenn sie in einer Kolloidsuppe schwimmen, weil sich viele Nährstoffe in der Nähe von Kolloidteilchen konzentrieren.

Spezifische Oberflächen

Gedankenexperiment:
Ein Gesteinswürfel (z.B. Diabas) mit Kantenlänge 1 cm wird in immer kleinere Würfel zerlegt und deren Oberfläche aufsummiert (sog. spezifische Oberfläche bezogen auf Volumen cm³, oder Gewicht g oder kg).

Kantenlänge/­Einzelwürfel: Summe Volumen Summe Oberfläche
1 cm 1 cm³ 0,0006 m²
10 μm 1 cm³ 0,6 m²
0,01 μm = 10 nm 1 cm³ 600 m²

Erst die besondere Größe der spezifischen Oberfläche von Kolloiden (= Grenzfläche/Kontaktfläche zwischen unbelebter Materie und der belebten Welt) ermöglicht einen leistungsfähigen Nährstoffübergang auf die Mikroorganismen und den damit verknüpften Folgeprozessen in Böden, Kompostieranlagen und Gülle.

Eine Klassierung der agrarischen Bodenmaterialien nach ihrer chemisch und biologisch wirksamen Oberfläche der einzelnen Fraktionen anstelle der Korngrößendurchmesser oder Sieblinien hätte sicher eine eigene Aussagekraft für agrarische Anwendungen.

Maximale spezifische Oberflächen eines Zuschlagstoffes sind aber nicht zwangsläufig der Weisheit letzter Schluss in der Agrardiskussion.

Wenn sich die spezifische Oberfläche nur aus der inneren Oberfläche eines großen Materialkorns mit hoher Porosität ableitet (Aktivkohle, Zeolithe), so sind zwangsläufig die Porendurchmesser viel zu klein (Nanometer), um von Bodenorganismen besiedelt werden zu können. Das starre Material wirkt dann nur als Molekularsieb/ Speicher für kleine Moleküle.

Größere Poren, die für Mikroorganismen besiedelbar sind, ergeben sich nur bei mikro-körnigem Gesteinsmaterial oder bei schaumartigen Strukturen (Pyrokohle, festem Kieselsäure-Gel). Die damit verknüpften spezifischen Oberflächen sind entsprechend kleiner.

Im Vergleich zu porösen, aber starren Mineralkörnern sind Kolloidmaterialien im Vorteil, weil sie aufgrund der Separation in einzelne kleinste Teilchen im Mikro- und Nanobereich flexible und damit anpassungsfähige Strukturen mit maximaler Kontaktfläche zwischen Bodenmaterie und z.B. den einzelnen Mikroorganismen ermöglichen.