Kolloidmaterialien

Gesteinsmehl

Nach Angaben der meisten Hersteller wirken Urgesteinsmehle wie Basalt, Lava, Diabas in Boden und Gülle über die Zufuhr von Kieselsäuren, Mikronährstoffen und Spurenelementen. Diese Komponenten liegen aber im eigentlichen Gesteinskorn als Mineral (z.B. Feldspat) chemisch fest gebunden vor und sind für viele biologische Prozesse nicht unmittelbar verwertbar.

Es bildet sich aber im Lauf der Zeit auf solchen Gesteinskörnern eine Verwitterungsschicht, wodurch Kieselsäuren, Tonerden, Mikronährstoffe, Spurenelemente chemisch mobilisiert werden. Diese Verwitterungsmaterialen können sich in feuchter Umgebung allmählich vom Gesteinskorn ablösen und sich als freies Kolloidmaterial anreichern.

Obwohl solche Kolloidbestandteile meist nur einen geringen Gewichtsanteil am Gesteinsmehl haben, so bestimmen sie doch weitgehend das Nährstoffmanagement im Boden. Die Ursache hierfür sind die extrem großen spezifischen Oberflächen von Kolloidmaterialien.

1 Gramm Verwitterungs-Kolloide weisen mehr spezifische Oberfläche und damit mehr chemische Wirksamkeit auf als 10 Kilogramm gewaschener grobkörniger Mineralsand (Faktor 10.000)!

Kieselsäuren Si(OH)4

Alle reden von den Huminsäuren, aber kaum jemand von den Kieselsäuren. Dabei kann man ihre Wirkung auf das Bodenleben und damit auf die Humusbildung kaum überschätzen.

Urgesteinsmehle bestehen weitestgehend aus Silikat-Mineralien, die in Gegenwart von Wasser langsam durch Verwitterung abgebaut werden und dabei u.a. Kieselsäure freigeben.

Kieselsäure hat z.B. im Boden mehrfache Funktionen in kolloidaler Form als Kationenaustauscher/ Nährstoffspeicher, aber auch als Mikronährstoff, den viele Organismen z.B. zum Aufbau des Zellgerüsts (beim Schachtelhalm, Brennnesseln, Kieselalgen) verwenden.

Kieselsäure mobilisiert weiterhin im Boden festgelegten Phosphor und macht ihn dadurch pflanzenverfügbar.

Freie bzw. amorphe Kieselsäuren in Kolloiden haben nur formal mit Quarz zu tun. SiO2 als Quarz ist kristallin und extrem verwitterungsbeständig.

Reine Quarzsande wirken daher im Boden nur als Strukturkomponente. Bezeichnungen wie „Quarz“-Präparate oder „Quarz-Sande“ zur Aktivierung, Biostimulation in der Landwirtschaft sind letztlich ein Widerspruch in sich. Es handelt sich dabei immer in irgendeiner Form um kolloidale Kieselsäuren oder Silikate aus Verwitterungsvorgängen von was auch immer, aber sicher nicht von kristallinem Quarz.

Synthetische Kieselsäure-Kolloide

Das sog. Wasserglas (Alkali-Silikatlösung) ist ein flüssiges Industrieprodukt für die unterschiedlichsten Anwendungen. Anno Tobak hat man Eier durch Einlegen in eine Wasserglaslösung (Kieselsäure-Sol) haltbar gemacht (sog. Sol-Eier).

Bei einer einfachen Alkali-Silikatlösung können chemisch einzelne Moleküle zu wesentlich größeren Molekülen verknüpft werden (Polymerisation ,Cluster, Makromoleküle) und dann als Kolloid wirken. Nimmt die Teilchengröße durch Wasserverlust immer noch weiter zu, dann bildet sich ein lockeres, sehr leichtes, glasschaumartiges Aggregat.

Solche ausgefällten Kieselsäureaggregate bilden hochporöse amorphe Netzwerke aus Kieselsäuren und amorphem Siliziumdioxid. Dieses Material ist Ausgangsstoff für die unterschiedlichsten technischen Anwendungen. Sie können u.a. bei hohen Temperaturen weitgehend entwässert werden und wirken mit ihren großen spezifischen Oberflächen z.B. als Trocknungsmittel (Silicagel). Auch als Bodenzuschlag sind solche Materialien ähnlich wie Pflanzenkohle einsetzbar. „Kieselsäurepräparate“ werden auch als Heilerden angewendet.

Kieselsäure-„Glasschaum“ aus der Reaktion von Wasserglas und Säure.

Kieselsäure-„Glasschaum“ aus der Reaktion von Wasserglas und Säure.

Herstellung eines Kolloids aus weißem Calcium- Silikat (rechts)

Herstellung eines Kolloids aus weißem Calcium- Silikat (rechts)
aus Wasserglas, Regenwasser und Ca-Nitrat-Lösung

Calcium-Silikat liegt auch im sog. Hüttenkalk vor, der u.a. als langsam wirkender Calcium- und Kieselsäure-Dünger eingesetzt wird (u.a. zusammen mit phosphatreichem Thomaskalk).

Tonerde-Hydrat Al(OH)3, Eisenoxid-Hydrat FeO(OH)

Aluminium ist neben Silizium in vielen Urgesteinen und Mineralien (sog. Alumo-Silikate) als wesentliche Komponente enthalten. Weiterhin finden sich auch beachtliche Anteile an Eisen in vielen Silikaten.

Dementsprechend sind auch Anteile dieser Elemente in den Verwitterungsprodukten solcher Gesteine in Form von hydratisiertem Tonerdehydroxid [Al(OH)3] und Eisenoxid-Hydrat zu erwarten, die als Kolloidbildner wirken. Diese Verbindungen sind insofern interessant, als sie Anionenaustauschfähigkeit besitzen können.

Die „Lebensdauer“ dieser Kolloide ist in vielen Böden aus verschiedenen Gründen oft begrenzt, was aber nicht heißt, dass sie unwichtig sind, sondern auf deren Nachlieferung besonders zu achten ist.

Interessant sind dabei auch Assoziate aus Kolloiden von Tonerde-Hydrat und Kieselsäure, die wegen großer spezifischen Oberflächen über hohe Austausch-Kapazitäten verfügen, sowohl anionisch als auch kationisch. Verschiedentlich bilden solche Materialien sogar Lagerstätten aus dem Mineral „Allophan“.

Tonminerale und Lehm

Tonminerale (wesentlicher Bestandteil von Lehm) sind Alumosilikate wie z.B. Zeolith, allerdings mit einer Schichtstruktur, die unter bestimmten Bedingungen eine Zerlegung der Tonmineral-Teilchen in extrem dünne Lamellen erlaubt. Solche Tonminerale bilden daher relativ leicht Kolloide mit hoher spezifischer Oberfläche und damit gekoppelt mit hoher Ionenaustauschfähigkeit (vorwiegend kationisch, Anionenaustauschzentren sind aber vorhanden).

Tonmineralien bilden sich aus Verwitterungsprodukten u.a. von Feldspaten und vulkanischen Aschen. Ein Reaktionspfad läuft dabei u.a. über Kieselsäuren und Tonerde-Hydrate. Tonminerale können durch Kopplung über mehrwertige Kationen (Calcium, Eisen) Assoziate mit Humuskomponenten eingehen und bilden dann die sog. Ton-Humus-Komplexe. Diese wirken als eine Art Basisbauelement für die Bodenarchitektur.

Durch Verknüpfen von einzelnen Ton-Humus-Paketen über Calcium und Eisen bilden sich größere Bodenaggregate mit hohem Porenanteil. Die Mikro-Bodenstruktur kann dabei vom Bodenleben lokal wieder aufgelöst und die Bausteine neu arrangiert werden. Die Bodenmikrostruktur kann sich so flexibel an das Wachstum anpassen.

Zeolith und Bentonit

Besonders große spezifische Oberflächen haben Zeolithe und Tonmineralien wie Bentonit. Beide sind sog. Alumosilikate mit den wesentlichen Verwitterungsprodukten Kieselsäuren und Tonerde.

Zeolithkies, Zeolithmehl und Aufschlämmung in Regenwasser.

Zeolithkies, Zeolithmehl und Aufschlämmung in Regenwasser.

Zeolith besteht ähnlich wie Pflanzenkohle aus porösen Partikeln und hat ausgeprägte Sorptionswirkung (Heilerde!).

Zeolith enthält zu einem großen Teil sog. Nanoporen, die vorwiegend als „Molekularsieb“ wirken, d.h. nur Ionen bzw. kleinere Moleküle wie z.B. Wasser, Ammoniak, kleine organische Verbindungen können eindringen und gespeichert bzw. ausgetauscht werden.

Solche Nanoporen können von Mikroorganismen nicht besiedelt werden. Nur größere Poren des polykristallinen Korngefüges sind besiedelbar.

Bentonite sind Ton-Mineralien (s.o.) mit aufquellbarer Schichtstruktur.

Die Abstände zwischen den Schichten können aufgeweitet und Wasser und andere Verbindungen eingebaut werden. Es können sich bei bestimmten Bentoniten auch einzelne Tonmineral-Lamellen (Dicke 1 nm) ablösen. Damit ergeben sich große spezifische Oberflächen. Viele Bentonite wirken daher als effektive Ionenaustauscher (und als Heilerde).

Humuskolloide

Dauerhumuskonzentrate wie Torf und Leonardit sind bei sachgerechter Anwendung „Humusmultiplikatoren“, die bei humusarmen Böden die Biomasseerzeugung bei geringem Stoffeinsatz schnell anheben können und damit die Grundlage für eine nachhaltige Kompostwirtschaft mit einer ausgeglichenen und stabilen Humusbilanz legen. Die Ökobilanz rechnet sich und der Biomassezugewinn in der Anfangsphase ist beträchtlich.

Unter Dauerhumus versteht man die Humusanteile, die durch das Bodenleben nicht mehr ohne Weiteres als Nährstoff verwertbar sind. Sie entsprechen damit den Ballaststoffen in der menschlichen und tierischen Ernährung.

Dauerhumus bzw. Ballaststoffe wirken vorwiegend als Substrate für mikrobielles Leben (Darmflora, Boden-Mikrobiom) im jeweiligen Organismus und sind daher für dessen Funktionieren und damit für die Gesundheit für Boden, Tier und Mensch entscheidend..

Ohne gesundes Mikrobiom kein gesunder Organismus, sei es Boden, Tier oder Mensch.

Trotz seines relativ kleinen Anteils an der Bodenmasse ist Dauerhumus sehr wichtig als Nährstoffspeicher, -transportmedium und insbesondere als Nährstoffvermittler an das Boden-Mikrobiom. Dies deshalb, weil Humus als ehemalige Biomasse auf molekularer Ebene über seine Kohlenstoffchemie mit lebender Biomasse (Mikroorganismen etc.) sehr effektiv, z.B. beim Nährstoffübertrag, wechselwirken kann.

Torf

Mineralreicher Niedermoortorf reagiert schwach sauer bis neutral und ist damit unmittelbar pflanzenfreundlich. Die meisten Niedermoorböden sind ertragreich und wurden daher nach Entwässerung unmittelbar in landwirtschaftliche Nutzung genommen.

Hochmoorschwarztorf, bzw. der übliche Gartentorf reagieren deutlich sauer, worüber sich unmittelbar nur spezialisierte Moorpflanzen freuen. In Kombination mit basischen Bodenkomponenten ergibt sich allerdings ein sehr wertvolles Pflanzsubstrat.

Niedermoortorf vom Moorrand der Kendlmühlfilzen/ Südliche Chiemseemoore.

Niedermoortorf vom Moorrand der Kendlmühlfilzen/ Südliche Chiemseemoore.

Torf wurde schon vor hundert Jahren in vielen landwirtschaftlichen Bereichen angewendet, wo heute Leonardit eingesetzt wird. Insbesondere die Stallhygiene einschließlich der Geruchsvermeidung, sowie die positive Auswirkung auf die Verdauungsprozesse des Viehs und die Herstellung leistungsfähiger Wirtschaftsdünger durch Förderung der Mikrobiologie waren bekannt. Insbesondere die Pferdehaltung (Kavallerie) war daran aus Gründen einer zuverlässigen Einsatzbereitschaft interessiert.

Leonardit

Im strengen Sinn ist Leonardit ein weitgehend rein organisches Humifizierungsprodukt ehemaliger Biomasse, das von der Entwicklungsgeschichte her zwischen Torf und Braunkohle steht und in sehr konzentrierter Form Huminsäuren/ Humate enthält. Es überrascht daher nicht, dass Leonardit viele agrarische Anwendungen findet, für die früher Torf in seinen verschiedenen Formen verwendet wurde. Beispiele sind u.a. aus veterinär-hygienischen Gründen Viehfutterzuschlag, Einstreu, Güllebehandlung, aber auch verschiedenste Kompostiertechniken zur Herstellung unterschiedlichster Formen von Wirtschaftsdünger.

Reiner Leonardit kann deutlich sauer (pH 3-4) reagieren und würde dadurch als Bodenzuschlag ähnliche Probleme verursachen wie saurer Hochmoortorf.

Der im Handel angebotene „Leonardit“ ist jedoch meist ein geologisch gewachsenes Gemenge aus organischem Humus und einem deutlichen Anteil an Mineralien („kondensierter Niedermoor-Torf“).

Vorteile dieses Mineral-Leonardits sind u.a.:

  • Hohe Basensättigung,
    der pH-Wert ist mit 6-7 ideal pflanzenverträglich.
  • durch die speziellen Lagerstättenbedingungen konnten sich über geologische Zeiträume vorteilhafte organisch-mineralische Verbindungen bilden, z.B. Vorstufen von Ton-Humus-Komplexen.
  • hoher Anteil an „kolloidfähigen“ organischen und anorganischen Substanzen.

Die hervorragenden agrarischen Eigenschaften solcher Mineral-Leonardite u.a. als Bodenverbesserer werden also zu einem nicht unwesentlichen Teil durch Mineralien verursacht: Die Mischung machts!

Mineral-Leonardit für die Bodenverbesserung, Kompostierung, Güllebehandlung

Mineral-Leonardit für die Bodenverbesserung, Kompostierung, Güllebehandlung

Alkalische Auszüge von Leonardit werden im Handel u.a. als flüssiger Humus angeboten und enthalten angereichert Huminsäuregruppen (Humate) in molekular-disperser Form (peptisiertes Kolloid).

Vergleich von Leonardit-Suspensionen bei unterschiedlichen pH-Werten.

Vergleich von Leonardit-Suspensionen bei unterschiedlichen pH-Werten.
Aufschlämmung des Mineral-Leonardits Absetzdauer 24 Stunden.

  • nur mit Regenwasser, pH-Wert der Suspension ca. 6,3.
  • mit Regenwasser, zusätzlich alkalisch eingestellt auf pH 8,5-9.
  • Leonardit Ausgangsmaterial

Im Überstand B ist deutlich mehr dunkelbraunes Huminsäurekolloid gelöst als bei A.